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Treffen N°29 // Diskussion über die Mythoshalle

Mythoshalle

Diskussionsrunde im freili zu unserem Besuch in der Mythoshalle (Foto: K.O.M.)

"Unfall oder tatsächlich so gewollt?"

Diese Frage, gestellt von einem Besucher, können wir nicht vollständig beantworten, auch nicht in Zeiten von ausgeprägtem Euphemismus. Vielleicht nur soviel: Es könnte sich um einen Unfall handeln. Einen sehr teuren und nachhaltigen Unfall. Aber wir haben einen guten Tipp, wie man den Schaden auffangen kann.

Der Begriff Mythos in Kombination mit dem Begriff Halle erweckt Assoziationen nicht nur an eine faschistoide Rhetorik, sondern auch an vergangene und vielleicht bevorstehende düstere Zeiten.

Kundige Besucher werden an die "Bibel" des Nationalismus denken: "Der Mythus des 20. Jahrhundersts. Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltungskämpfe unserer Zeit"

→Alfred Rosenberg

Kurze Zeit vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hatten die Nazis eine Thing-Stätte auf dem Loreley-Felsen fertiggestellt und der Öffentlichkeit übergeben.

Schon in den ersten Jahren nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und als Teil der NS-Kulturpropaganda bildete sich die → Thingbewegung heraus. Ihre Zielsetzung war es, „… aus dem Gemeinschaftserlebnis heraus den neuen deutschen Menschen nach dem Willen des Führers zu formen und zu schaffen.“

Und nun die neue Mythoshalle, die ein wenig in der Gesamtkonstruktion mit lang aufsteigendem Grasdach an nationalsozialistische Architektur erinnert. Die Fantasie eines Mitbesuchers ging allerdings sogar so weit: "Wenn man berücksichtigt, dass sich am Ende dieser Konstruktion die Klippe zum Rhein befindet, könnte man diesen Steinweg auch als Entsorgungsstrecke für wie auch immer missliebige Persönlichkeiten empfinden."

Da sieht man, was ein Begriff wie Mythoshalle bei geschichtskundigen Besuchern alles au(SS)lösen kann.

Diejenigen aber, die nach dem berühmten Satz von Helmut Kohl von "der Gnade der späten Geburt" beglückt worden sind, können assoziationsfrei und kontextlos das Gelände besichtigen.

Jedenfalls soll nach den Stimmen regionaler politischer Persönlichkeiten wenigstens große Begeisterung ausgelöst werden, begleitet von der Überzeugung, dass, um es mit Goethe zu sagen, hier und heute eine neue Epoche des Rheintourismus begonnen habe.

Nach Jahren der Umgestaltung und nicht endenwollenden Bauarbeiten gingen die Besucherzahlen zurück.

Da der Blick sich dabei nur auf die Ökonomie richtete, historische und kulturelle Sensibilität dadurch aber verloren ging, machte man aus dem Alleinstellungsmerkmal Heine-Gedicht plus Loreley-Felsen kurzerhand einen Mythos, egal ob es sich real um einen handeln könnte oder nicht.

In der Mythoshalle aber ging den Verantwortlichen inhaltlich und thematisch schnell die Luft aus. Und das gleich zu Anfang und deutlich am Ende, wo fünf runde Infotafel fast identische Inhalte zeigen und dadurch eher wie Raumfüller fungieren.

Einen Mythos kann man nicht künstlich erzeugen und einen Inhalt nicht beliebig konstruieren, aufblasen und überdehnen. Dabei gäbe es eine Menge zu erzählen über den Rhein. Aber das touristische Infotainment verdrängt alles andere an Kultur und Geschichte.

Irgendwie Identitätsbildendes scheint mit der Mythoshalle undeutlich intendiert, wenn man die ankündigenden Worte für diesen Bau zur Kenntnis nimmt.

Es bleibt zu hoffen, dass mit dieser Halle die Vernunft nicht eingeschläfert werden und der Geist nicht von einem neuen Irrationalismus erobert werden kann. Denn "wenn die Vernunft schläft, erwachen die Gespenster" (Goya)

Aber es wäre zu wünschen, dass, diejenigen, die verantwortlich sind für dieses Disneyland, sich nicht in diesem Ausmaß befreit hätten von historischer Sensibililät und wirklicher Urteilskraft, vielleicht gestützt von ausreichender Bildung.

Mythoshalle

Der mediale Rundgang entlang der Innenwand in der Mythoshalle (Foto: K.O.M.)

Mythoshalle

Historische Aufnahme der Thing-Stätte von 1938 | Die heutige Loreley-Bühne

Mythoshalle

Platzhalter für fehlende Inhalte? (Foto: K.O.M.)

Randbemerkungen

Assoziationen: Leichenhalle, Luftschutzbunker mit Dach-Gras-Tarnung, Rampe zur Entsorgung an der Klippe zum Rhein?

Mythoshalle

Der Eingang zur Mythoshalle. (Foto: K.O.M.)

Gingen hier die Inhalte aus?

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dem ganzen Konzept Mythoshalle schnell der Inhalt abhanden kommt. Es gelingt nicht, den zur Verfügung stehenden Platz mit interessanten Informationen und Geschichten zu füllen.

Kritische Stimmen zum Konzept(zitiert nach Chatgpt)

Der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz lehnt Teile der Umgestaltung des Loreley-Plateaus ab – etwa den sogenannten „Mythosraum“. Kritisiert werden eine künstliche, ortsungebundene Felsstruktur sowie eine optisch bedenkliche Nähe zum Kitsch.

Zwar wird dabei nicht explizit der Begriff „Mythoshalle“ in den Fokus genommen – aber es wird deutlich, dass das gesamte Gestaltungskonzept (inklusive des Namens) als überinszeniert, künstlich oder konsumorientiert empfunden werden kann.

Wurde der Autor des „Loreley-Gedichtes“ im Nationalsozialismus verschwiegen?

Kurzantwort: Ja. In der NS-Zeit wurde Heinrich Heines Name in vielen Schul- und Liederbüchern beim populären Loreley-Gedicht entfernt oder durch „Verfasser unbekannt“ ersetzt.

Hintergrund

Das berühmte Gedicht „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten …“ stammt von Heinrich Heine (1824). Aufgrund antisemitischer Kulturpolitik wurde Heine im Dritten Reich aus dem offiziellen Kanon verdrängt.

Motiv

Der Text war zu beliebt, um ihn zu verbieten; gleichzeitig galt Heine als „unerwünscht“. Die Anonymisierung war ein typisches Mittel der antisemitischen „Säuberung“ von Kultur.

Nach 1945

Heine wurde wieder als rechtmäßiger Autor genannt; das Gedicht kehrte in den regulären Schul- und Literaturkanon zurück.

Japan und die Loreley

Auf die Frage, ob die Verehrung des Loreley-Gedichts von Heinrich Heine in Japan in der gemeinsamen faschistischen politischen Achse zwischen Japan und Deutschland zur Nazi-Zeit begründet liegt, antwortet Chatgpt:

Die Bekanntheit der Loreley in Japan hängt nicht direkt mit der faschistischen Koalition mit Deutschland zusammen, sondern vielmehr mit der langen Tradition, deutsche Musik und Dichtung seit der Meiji-Zeit (1868-1912)→ Meiji-Zeit in die japanische Schulbildung zu integrieren. Die faschistische Achsenzeit hat diese Tendenz nur verstärkt, aber nicht begründet.

Mythoshalle

Nachdenkliche Betrachtung der zentralen Skulptur. (Foto: K.O.M.)

Mythoshalle

Der Loreley-Mythos gibt reichlich Diskussionsanregung. (Foto: K.O.M.)